Mein Name ist Edmund Mettinger. Ich bin hochgradig legasthenisch begabt und auch ADHSler.
Warum schreibe ich das so?
Erst wenn ich eine Erscheinungsform, welcher Art und Natur sie auch immer sein mag, anfange zu verstehen und zu begreifen und sie nicht mehr erklären brauche, kann ich ihren wahren Nutzen bewusst in mein Leben integrieren. Nun, der Rebell in meiner Natur hat mir geholfen, trotz dieser „Behinderung“ den Mut zu und den Zuspruch an meinem „So-sein“ nicht zu verlieren.
Heute weiß ich, dass genau diese „Störung“ das größte Talent und die am stärksten ausgeprägte Fähigkeit in meinem Leben ist, und genau sie es war, sie, die „Störung“, die mir dabei half, die Krisen, die ich in meiner Umwelt aufgrund meines Umgangs mit Schrift, Sprache und Zahlen hatte, nämlich, ihrer nicht mächtig zu sein, zu bewältigen. Vielleicht macht dieser Satz deutlich, wie ellenlang und viel verzweigt sich Gedanken im Kopf eines Legasthenikers entwickeln können. Es ist auch nur der Kopf, der ohne Punkt und Komma denken kann. Nicht, dass ich mich in die Reihe der Großen wie Johann Wolfgang von Goethe, Leonardo da Vinci, Albert Einstein, Prof. Samy Molcho, Winston Churchill, Henry Ford, Thomas A. Edison, Hans Christian Anders, Harry Belafonte, Walt Disney, Whoopi Goldberg, Jacky Stewart, Nelson Rockefeller und Richard Branson einreihen möchte, doch es tut gut, zu wissen, dass diese Menschen auf die gleiche Art und Weise denken und die Welt wahrnehmen wie ich, nämlich dreidimensional und nicht linear.
In dem Buch „Legasthenie als Talentsignal“ steht: „Diese Leute waren nicht Genies trotz ihrer Legasthenie, sondern wegen ihrer Legasthenie.“
Zu den grundlegenden Fähigkeiten, die alle Legastheniker besitzen, zählt der Autor R. Davis (Zitat):
- Sie benutzen die Fähigkeit des Gehirns, Sinneswahrnehmungen zu verändern und zu erzeugen (ihr Haupttalent).
- Sie nehmen ihre Umgebung sehr bewusst wahr.
- Ihre Wissbegier ist überdurchschnittlich.
- Sie denken vorwiegend in Bildern, nicht in Wörtern.
- Sie besitzen Scharfblick und starke Intuition.
- Ihre sinnliche Wahrnehmung und ihr Denken sind vielschichtig.
- Sie erleben Gedachtes als real.
- Sie verfügen über eine lebhafte Phantasie.
Auch Prof. Samy Molcho (Autor und Pantomime) äußerte sich in einem Interview vor Jahren auf seine legasthenische „Behinderung“ befragt: „ Dreidimensional zu denken bedeutet, eine andere Auffassung von den Dingen und der Welt und ihren Möglichkeiten zu haben. Unser Problem ist eigentlich keins, sondern eine außergewöhnliche Begabung…Das lineare Denken der anderen hat uns zu Problemfällen gemacht und in die Sonderschule gesteckt.“
Es mag in der Natur des Menschen liegen, „Hinderliches“ großzügig zu entschuldigen, wenn eine betroffene Person einen gewissen Rang oder Status errungen hat. So geht man in den Schulen wohl sehr gerne darüber hinweg, was Johann Wolfgang von Goethe in einem Brief über seine Art zu schreiben sagt: “Ich bin niemals zerstreuter, als wenn ich mit eigener Hand schreibe: denn wenn die Feder nicht so geschwind läuft, als ich denke, so schreibe ich oft den Schlußbuchstaben des folgenden Wortes, ehe das erste noch zu Ende ist, und mitten in einem Komma fange ich mit den folgenden Perioden an; ein Wort schreibe ich mit dreierlei Orthographie, und was die Unarten alles sein mögen, derer ich mir recht wohl bewußt bin und gegen die ich auch nur im äußersten Notfall zu kämpfen mich unterwinde, nicht zu gedenken, daß äußere Störungen mich gleich verwirren, und ich meine Hand wohl dreimal in einem Brief abwechseln kann.“ (Zitat nach G. Schury: „ Zum Diktat!“ Goethe Sonderausgabe der Frankfurter Rundschau vom 14.08.98).
Uns Lernenden bleibt nur eines übrig: dem großen Meister zu huldigen, der die meisten seiner Werke wohl aus diesem Grunde mindestens einem Honorarschreiber diktierte. Es war gut so, sonst, so vermute ich, würden wir uns heute wohl nur mit dem „Erlkönig“, gegebenenfalls noch dem „jungen Werther“ und dem Inhaltsverzeichnis vom Faust zu begnügen haben.
Goethes Vater hat ein Vermögen in die Wissbegierde und Ausbildung seines Sohnes gegeben, was nichts an seinem Verständnis der Orthographie änderte. Ich habe ein Vermögen in besprochene Kassetten, CD‘s, Seminare und Weiterbildungen ausgegeben, die nicht nur theoretischer Natur waren und der wissenschaftlichen Selbstbefriedung dienten, sondern mir helfen sollten, meine angebliche Behinderung zu beheben.
Ich fand eine Lösung…
…darin, einen Zustand zu erlangen, der Verstehen, Aufnehmen, geistiges Verarbeiten und ein Lernen überhaupt erst möglich macht. Ich habe für mich herausgefunden, was es bedarf, Aufmerksamkeit so zu lenken, dass ich heute mit meinem ADHS so umgehen kann, dass mir ein lebenslanges Lernen Freude macht. Für mich war es allerdings erforderlich, da ich als ADHSler und Legastheniker nicht mit Geduld gesegnet bin, mich nur mit Methoden zu beschäftigen, die sehr schnell und effektiv wirken, nach Erlernen ohne fremde Hilfe anwendbar und zu jeder Zeit und in jeder Situation für mich verlässlich sind. Ganz nebenbei haben sich mir Wege erschlossen den Stress, den Menschen mit den Phänomenen der Legasthenie und AD(H)S tagtäglich erleben, heute schon im Ansatz zu erkennen und aufzulösen.
Seit 1996 widme ich den wohl größten Teil meines Wirkens den Menschen, die den Schmerz der sozialen, physischen und psychischen Belastung durch Legasthenie und der damit verbunden Not, Rat- und Hilflosigkeit – darunter auch „Lehr-Beauftragten“ – erfahren haben. So stehen wir heute Betroffenen und Beteiligten mit Information, Einzelberatungen und in Workshops zur Seite. Für unsere Kinder, für Sie und für die Zeit, in der wir leben.
Dankeschön.
Edmund Mettinger