AD(H)S, LRS, Legasthenie & Co – Krankheit oder Talent

alternativer TextKeinen trifft die Schuld und Krankheit ist es auch keine – auch, wenn einige es behaupten wollen. Homosexualität wurde ja auch mal als Krankheit betrachtet. Zumindest hatte man sich seiner Zeit (Was hat sich denn inzwischen geändert?) schuldig zu fühlen – Betroffene, Eltern und das gesamte Umfeld gleich dazu.

Man weiß auch nicht genau, ob es sich bei Legasthenie, AD(H)S & Co. um eine Begabung oder gar um ein Talent handelt. Was man wirklich herausgefunden hat ist, dass es eine echte und hochkomplexe Leistung des Gehirns ist … und mit hoher Wahrscheinlichkeit einen großen Anteil dazu beigetragen hat wie wir „Welt“ bauen und erleben.

Wenn wir unsicher sind, neigen wir schon mal dazu zu bewerten. Das ist normal. Ist es auch brauchbar? Nein, wahrscheinlich nicht.

Wer sich irgendwann mit Kindern beschäftigt hat – und diese vielleicht auch in das Leben begleitet hat – wird festgestellt haben, dass Interessen, Begabungen und Talente schon bei Kindern unterschiedlich sind, ebenso wie ihr Lernverhalten. Erstaunlich ist, dass wir dazu neigen, Kindern etwas beibringen zu wollen, was sie von Geburt an schon immer mit größtem Interesse getan haben, nämlich lernen. Denkt man über Lernen nach, kann man nur sagen: Es wird auf jeden Fall beeinflusst von Emotion (Interesse) und Kognition (Verstehen wollen) und dauert so lange wie es dauert. Es geschieht immer – ein Leben lang.

AD(H)S, Legasthenie und Hochsensibilität gab es durch alle Kulturen hindurch schon lange bevor es sich in unserer Gesellschaft zu einem Problem heraus kristallisierte. Vielleicht liegt ja unsere Chance gerade darin, sich mit diesem Thema so vertraut zu machen, und die Verantwortung nicht mehr an einen genetischen Defekt oder erbliches Krankheitsbild abzugeben, sondern es als einen notwendigen Schritt des Wachgerüttelt-Werdens zu erleben. Wachgerüttelt werden insofern, um mitzubekommen wie vielen Zwängen und Dogmen des Genügens wir uns (fast widerstandslos) unterordnen, ohne daran wirklich zu wachsen oder heran zu reifen.

Ist es nicht so, dass unser persönliches Leben noch immer dadurch bereichert wurde, indem wir uns auf Dinge einlassen konnten, die uns gefordert haben? Vielleicht ist es auch ein Gebot der Zeit, wahrzunehmen, wie leichtfertig wir stigmatisieren, ohne die Chance für unser eigenes Wachstum – auch als Gesellschaft – darin zu erkennen.

Edmund Mettinger und Alexandra Tebart